Mit dem Klimawandel werden extreme Wetterereignisse häufiger und so mehren sich auch die volkswirtschaftlichen Schäden, die durch sie verursacht werden. Überschwemmungen, Dürren, Waldbrände und Hitze werden die Gemeinden zunehmend herausfordern und kommunale Haushalte belasten. Eine Studie des Bundesumweltministeriums ergab, dass sich die Kosten bis zum Jahr 2050 auf mehrere Hundert Milliarden Euro in Deutschland belaufen könnten. Umso wichtiger, dass sich Planerinnen und Planer, Kommunen, Verwaltungen und Gemeinderatsmitglieder über Gegenmaßnahmen informieren, welche die lokalen Auswirkungen des Klimawandels abmildern können. Am 4. Juli 2023 fand in Veitshöchheim eine Fachveranstaltung zu grüner und blauer Infrastruktur statt, organisiert vom Flächensparmanagement der Regierung von Unterfranken in Kooperation mit der Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). Rund 60 Gäste kamen am Gelände der LWG für die Vorträge zusammen. „Wir müssen die graue Infrastruktur aufbrechen!“, erklärten die Flächensparmanagerinnen Anne Weiß und Marina Klein in ihrer Begrüßung. „Was Sie heute investieren, werden Sie später sparen, wenn Ihre Gemeinde auf Trockenheit und Starkregen vorbereitet ist."
Was tun mit dem versiegelten Rathausplatz?
Den Start machten mit Jürgen Eppel und Dr. Claus Prinz zwei Landschaftsbau-Experten der LWG. Anhand eines kleinen Schauspiels stellten sie eine typische Beratungssituation zwischen Bürgermeister und Fachmann nach. Die Darbietung sorgte nicht nur für Unterhaltung bei den Zuschauern, sondern vermittelte auch anwendungsorientierte Tipps für die Klimaanpassung in der Altstadt. Wie vorgehen, wenn der Rathausplatz viel zu heiß wird und sich dort keiner aufhalten will? Die vorgestellten Maßnahmen reichten von der vielfältigen Dachbegrünung über den wasserspeichernden Pflasterstein und die Entsiegelung bis hin zum bepflanzten Sonnenschirm. Dabei hatte der fiktive Bürgermeister einige Rückfragen: „Das kostet doch alles Pflege, oder?“ und „Wie kann ich meinen Gemeinderat überzeugen?“. Dazu empfahlen Eppel und Prinz auch eine Fahrt zum Klimawandel-Garten in München. Hier können sämtliche Maßnahmen der grünen und blauen Infrastruktur hautnah erlebt werden.
Der grün-blaue Ring von Tirschenreuth
Wie ein kommunales Praxisbeispiel aussehen kann, zeigte Bürgermeister Franz Stahl aus der Kreisstadt Tirschenreuth. Mit rund 9.000 Einwohnern zählt die Stadt aus der Oberpfalz zum ländlichen Raum – dennoch konnten weitläufige Grünanlagen und Wasserspielplätze rund um die Altstadt geschaffen werden. „Die Landesgartenschau 2013 war der Urknall, unser Entwicklungsmotor“, berichtete der Bürgermeister. „Wir haben uns bewusst für Natur in der Stadt entschieden, nicht nur außerhalb.“ Dabei sei Grünplanung kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Marathon, erklärte Stahl. Er verdeutlichte damit, dass viel Aufwand in Planung, Bürgerbeteiligung und Fördermittelakquise steckt. An dem nachhaltigen Pfad, den die Stadt vor über 10 Jahren eingeschlagen hat, hält sie weiterhin fest. „Schatten ist die neue Währung der kommenden Jahre“, weiß Stahl. Daher wurden kürzlich 80 Bäume am Marktplatz gepflanzt, der vorher geschottert und versiegelt war. „Da kommt natürlich nicht nur Zuspruch, aber wir wissen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Für sein Engagement wurde Tirschenreuth im Jahr 2022 mit dem Bundespreis Stadtgrün ausgezeichnet.
Bäume für die städtische Wärmeinsel
Klimageograph Christian von der Stein-Hartmann stellte seine Forschungsergebnisse zu Stadtbäumen vor. Er zeigte auf, dass es große Temperaturunterschiede zwischen der versiegelten Innenstadt und kühleren Standorten in Parks oder im Umland gibt. Hitze konzentriere sich gerade am Abend, weil Straßen und Häuser dann Wärme abstrahlten. Bis zu 8°C Temperaturunterschied könne es zu gleicher Stunde am Würzburger Marktplatz und in Gerbrunn geben. „Ein Quadratmeter Asphalt in der Sonne ist wie ein Elektroheizlüfter, der im Sommer den ganzen Tag läuft“, machte er klar. „Wichtig ist, dass sich die dicht bebaute Stadt tagsüber nicht so stark aufheizt, sonst können wir nachts nicht mehr lüften“, mahnte er. Mit seinen Messungen wies er nach, dass Bäume einen kühlenden Effekt auf ihre direkte Umgebung haben und so einen wertvollen Beitrag zur Gesundheit der Stadtbevölkerung leisten.
Im Anschluss fand auf dem Anstaltsgelände eine Führung statt, bei der verschiedene Fassadenbegrünungen besichtigt wurden. Dr. Leoni Mack erläuterte die Unterschiede von wand- zu bodengebundener Begrünung, benannte Kosten und den Pflegeaufwand. „Wer möchte, kann sogar Nutzpflanzen an der Fassade anbauen, etwa Kohlrabi“, überraschte sie die Teilnehmenden. Zu Nutze machen könne man sich den kühlenden Effekt der grünen Gebäudehülle, der auf die Immobilie selbst, aber auch auf die Umgebung wirke.
Die Veranstaltung wurde im Rahmen der Flächensparoffensive der Bayerischen Staatsregierung entwickelt und umgesetzt.