„Der Altort ist zum Wohnen da!“

Das Rezept für einen lebendigen, attraktiven Ortskern umfasst jede Menge wichtige Inhaltsstoffe, die nicht überall bekannt sind. Gemeinden, die die richtige Kombination geschmackvoller Zutaten kennen, halten ihre Bevölkerung am Ort und schaffen zentrale Treffpunkte für Jung und Alt.

Bürgerbeteiligung, erfahrene Architektinnen und Architekten, erfolgreiche Fördermittelanträge und ein schlüssiges Gesamtkonzept für die Ortsentwicklung gehören zum Beispiel dazu. Bei der „Bürgerfahrt Innenentwicklung“ am 18. Juni 2024 wurden in den Gemeinden Gochsheim, Üchtelhausen und Niederwerrn verschiedene gelungene Vorhaben besichtigt, die Altorte aktiv beleben. 

Organisiert wurde die Busexkursion vom Regionalmanagement des Landkreises Schweinfurt und der Flächensparoffensive in Unterfranken. Sie fand im Rahmen des Monats zum Flächensparen der bayerischen Staatsregierung statt.

Zu Beginn versammelten sich die rund 40 Teilnehmenden vor dem Gochsheimer Rathaus. Landrat Florian Töpper betonte in seiner Begrüßung vor Ort, dass sich die Veranstaltung in ein langjähriges Engagement für die Innenentwicklung im Landkreis Schweinfurt einreihe. „Bei uns wird seit mehr als 15 Jahren kontinuierlich Innenentwicklung betrieben und stetig weiter ausgebaut“, so Töpper. „Finanzielle Anreize setzen wir mit unseren Förderprogrammen, persönliche Beratung bietet das Netz an Innenentwicklungslotsen in unseren Gemeinden.“ Er freute sich, gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinderäten an der Exkursion teilzunehmen. 

Gochsheim: Vielseitige Wohnbebauung mit grünem Band

Im Anschluss starteten zwei separate Gruppen auf einen Rundgang durch den Ortskern. Besichtigt wurde dabei die alte Schmiede direkt an der Hauptstraße. Unterstützt durch die Städtebauförderung soll der jahrelange Leerstand reaktiviert und zu einem Bürgerhaus umgebaut werden.

„Bei diesem Projekt nahmen die Bürgerinnen und Bürger unsere Angebote zur Beteiligung gut an. Der Prozess hat Arbeit, Zeit und Geld gekostet, aber das Investment hat sich gelohnt“, hob 1. Bürgermeister Manuel Kneuer hervor. Unter anderem sollen Toiletten in das alte Gebäude kommen, um die Infrastruktur für Festivitäten auf dem dort angrenzenden Kleinen Plan zu verbessern. 

Am kleinen Plan wird derzeit die nächste Leerstandsaktivierung angegangen, die Entrümpelung ist bereits durch Sperrmüll am Platz sichtbar. „Auch dieser Anblick gehört zur Innenentwicklung dazu“, so der Bürgermeister. Und er erwähnte: „Wichtig ist, dass wir diese Leerstände als Kommune erwerben. Wenn man die Hand nicht draufhat, kauft es ein anderer und wir verlieren die Gestaltungsmöglichkeit.“ 

Weiter ging es in die Frühlingsstraße, wo das Areal einer ehemaligen Konservenfabrik vom Gewerbe- zum Wohngebiet umgewidmet wurde. Nun stellen hier Doppel-, Reihen- und Mehrparteienhäuser einen bunten Mix aus verschiedenen Wohnformen zur Verfügung, ohne, dass neue Fläche im Außenbereich versiegelt werden musste. Zum Abschluss der Führung machte die Gruppe einen Schwenk zum neuen Ärztehaus in der Friedhofstraße, das seniorengerechte Wohneinheiten im Obergeschoss und eine Arztpraxis im Erdgeschoss vorsieht.

Ebertshausen: Privatsanierung eines alten Handwerkerhäuschens

An der zweiten Station wurde der Exkursionstrupp bereits von der Familie Rudolph / Merthen in Ebertshausen erwartet, die ein seit 40 Jahren leerstehendes altes Sandsteinhaus in einen modernen Wohntraum verwandelt hat. 

Johannes Grebner, 1. Bürgermeister der Gemeinde Üchtelhausen, erläuterte in seiner Begrüßung, wie die Dorferneuerung „Seestern“ zum Gelingen des Projektes beitragen konnte. Dann wurde den Exkursionsgästen die Möglichkeit geboten, das Haus von innen zu erkunden. Viel Eigenarbeit mehrerer handwerklich begabter Familiengenerationen steckt in dem Objekt. Das Paar ist zurecht stolz auf das attraktive Ergebnis. „Wunderschön hier! Jetzt will ich gar nicht mehr nach Hause!“ lachte eine Teilnehmerin nach der Führung. 

Ausführlich präsentierte Simon Gößmann vom Amt für Ländliche Entwicklung (ALE) Unterfranken die Fördermöglichkeiten der Dorferneuerung. Er wies darauf hin, dass die Geschichten von Häusern und die fränkische Baukultur von großem Wert sind. „Gewachsene Baustrukturen erhalten, Identifikationsmöglichkeiten schaffen und gleichzeitig reichhaltige Gestaltungswege aufzeigen – das ist unser Ziel beim ALE“, resümierte er.

Niederwerrn: Neue Mitte aus Recycling-Beton

Für die letzte Station brachte der Bus die Gruppe nach Niederwerrn. Hier ist die Neue Mitte mit Café, Energiescheune, Ladenmuseum und Bürgerzentrum fast fertiggestellt. 1. Bürgermeisterin Bettina Bärmann und Stefan Schlicht, zuständiger Architekt vom Büro „Schlicht Lamprecht Kern Architekten“, hießen die Gäste auf den neuen Sitzstufen im Außenbereich willkommen. 

Sie trugen den Entstehungsprozess des Projektes vor und führten anschließend über die Baustelle. Der sogenannte R-Beton, der beim Bau verwendet wurde, ist recycelt und stammt aus der alten Talbrücke Rothof der A7, die 2018 abgebrochen wurde. „Beim Einbringen des Betons an der Baustelle stellte man fest, dass die Fließfähigkeit des Betons geringer, der Beton zäher ist“, erklärte Schlicht. „Inwieweit sich dies sogar zusätzlich positiv auf die Betongüte auswirkt, ist schwer nachzuweisen. Aus Gründen der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft gibt es keinen Grund den Recycling-Beton und dessen Verwendung zu ignorieren.“

Bürgermeisterin Bärmann führte aus, dass der obere Teil des Bürgerzentrums als Trausaal vorgesehen ist und bald gemietet werden könne. Daraufhin sah sie sich ersten Anfragen gegenüber. Einen gemütlichen Ausklang der Exkursion gab es mit Snacks und Getränken.

Insgesamt stieß die erste Busexkursion zur Innenentwicklung im Landkreis Schweinfurt auf Begeisterung bei den Teilnehmenden. „Wir freuen uns, wenn Sie die Eindrücke von heute in Ihre Gespräche, etwa mit Nachbarn und Verwandten, mitnehmen. Damit werden Sie selbst zu einem wichtigen Botschafter für die Innenentwicklung in unseren Gemeinden“, sagte Landrat Töpper zum Schluss. Er bedankte sich bei allen Referenten und Organisatoren für den gelungenen Nachmittag.

Text: Anne Weiß und David Wald, Regierung von Unterfranken